Der Tagesspiegel, 28.8.2017
Etwa 2,2 Milliarden Menschen leben in extremer Armut, 700 Millionen sind chronisch unterernährt, 66 Millionen weltweit auf der Flucht. Die fortdauernden Kriege und Konflikte, die ökonomische Perspektivlosigkeit in vielen Regionen, der Klimawandel, der auf dem afrikanischen Kontinent schon jetzt verheerende Dürren anrichtet, lassen kaum hoffen, dass sich die Zahlen bald zum Besseren wenden.
Das Zeitalter der Massenmigration hat gerade erst begonnen. Nicht unwahrscheinlich, dass sich „die Verdammten dieser Erde“ in immer größeren Wellen auf den Weg machen werden – in der bangen Hoffnung auf ein halbwegs menschwürdiges Leben in den milden und ungefährlichen Weltgegenden, die Europäer und Nordamerikaner bewohnen.
Moralisch vertretbar, die Unterprivilegierten auszusperren?
Die steigenden Flucht- und Migrationszahlen provozieren die ethische Frage nach der Legitimität von Grenzregimen. Ist es moralisch vertretbar, die Unterprivilegierten aus unseren Wohlstandszonen auszusperren? Sind die hehren Ideale Freiheit und Gleichheit, die der Westen zu vertreten meint, angesichts weitgehend geschlossener Grenzen nicht bloße Makulatur? Lässt es sich irgendwie rechtfertigen, einem Menschen seinen Weg in das vermeintlich gute Leben durch Zäune und Stacheldraht abzuschneiden? Oder ist es, anders herum, nicht vollkommen unverantwortlich, Grenzen für alle und dauerhaft zu öffnen?...