Der Tagesspiegel, 15.3.2016
Die Schlachten, die verfasste Studierendenschaften ums allgemeinpolitische Mandat schlagen, sind weit älter als die Bundesrepublik. Schon der deutsche Hochschulreformer Carl Heinrich Becker bemerkte in den 1920er Jahren, dass die Studentenschaft zwar in akademischen, nicht aber in politischen Obliegenheiten Mehrheitsbeschlüsse formulieren dürfe. Klar sei aber auch, dass es keine „Formel gibt, die die Grenzen der politischen Kompetenz der Organe der Studentenschaft restlos befriedigend umreißt“. Ein Mandat im politischen Tageskampf ist deshalb umstritten, weil mit der Immatrikulation eine Pflichtmitgliedschaft verbunden ist, die der Studierendenvertretung eine gewisse Neutralität gebietet.
Wo aber verlaufen die Grenzen zwischen der Welt da draußen und dem Hochschul-Soziotop? Wie soll man verfahren, wenn sich die makrogesellschaftlichen Probleme auch im Mikrokosmos Universität wiederfinden?
Die Studierendenschaft der Uni Frankfurt streitet derzeit in einem Gerichtsverfahren für die Publikationsfreiheit, für das Recht, in allgemeinpolitischen Debatten Stellung zu beziehen – zumal dann, wenn sich die Sphären nicht sauber voneinander trennen lassen. Anlass für den Prozess ist die Klage eines Studenten, der sich in einem Artikel der „Asta Zeitung“ zum Thema sexualisierte Gewalt und Sexismus namentlich erwähnt fand. Besagter Student ordnet sich selbst der umstrittenen Subkultur der „Pick-up-Artists“ zu, deren Mitglieder auf dem Campus in jüngster Zeit wiederholt durch Belästigung von Frauen in Erscheinung traten…