tip, 15.3.2016
Wie existiert man, wenn vier Wände die Welt bedeuten, das Leben sich auf einer winzigen Fläche ereignet, auf die vom Milchglas getrübtes Sonnenlicht fällt? Jack ist in den braun verkleideten „Raum“ hineingeboren, hat das Mobiliar komplett vermenschlicht, Tisch, Lampe, Wanne, Stuhl sind seine einzigen Freunde – abgesehen von seiner Mutter, die dem Jungen einen eigentümlichen Kosmos gebaut hat. Warum erzählt sie ihm, dass hinterm Raum das Weltall beginnt? Und wer ist der ominöse Fremde, der regelmäßig bei der jungen Mutter im Bett schläft, wenn Jack des Nachts in seinem Wandschrank liegt?
„Raum“ beginnt als Kammerspiel, dessen klaustrophobisches Setting durch die Fantasie des Jungen gesprengt wird, während uns eine Kinderstimme aus dem Off sein Universum vermittelt. Allmählich beginnt der Zuschauer zu ahnen, dass dem Leben im Raum eine Entführung vorausging und dass als Vater des Kindes nur der Täter in Frage kommt.
Die für „Raum“ soeben mit dem Oscar als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnete Brie Larson und der neunjährige Jacob Tremblay spielen die Beziehung zwischen Mutter und Kind unglaublich intim. Mit seinem fünften Geburtstag bekommt Jacks Welt Risse, schon bald kann „Ma“ mit der Realität nicht länger hinterm Berg halten.
Zu keiner Zeit kippt „Raum“ ins Kitschig-Klischeehafte oder verkommt im Fahrwasser des Natascha-Kampusch-Horrors zur geifernden Sensationsgeschichte. Der Film legt den Fokus auf die Beziehung zwischen dem lebenshungrigen Jungen und seiner Mutter. Die eigentliche Frage ist denn auch, wie man nach sieben Jahren Raum da draußen weitermacht, wenn die dramatische Flucht schließlich gelungen ist.