Tagesspiegel, 02.07.2024
Radikale Egoisten, rufen die einen; Verbotsfetischisten, antworten die anderen. Ein trotziger Anspruch auf Willkürfreiheit hier, eine zusehends schamhafte Rücksichtnahme dort.
So illustrierte die Philosophin Eva von Recker auf dem neuen Philosophie-Festival philo.live! eine der Grundkontroversen unserer Zeit. Während manche in jeder Debatte um verpflichtende Wärmepumpen einen Angriff auf ihre individuelle Freiheit sehen, wächst bei anderen das schlechte Gewissen, weil klar ist, dass das unbeschwerte Ausüben von Freiheit – Fleisch essen, Flugzeug fliegen, Billig-T-Shirts kaufen – die Freiheitsspielräume anderer beschneidet.
Der Gegensatz radikal negativer Freiheit, im Sinne einer Freiheit von staatlicher Einschränkung, und einem positiven Freiheitsverständnis, dem die Freiheit, unter Brücken zu schlafen, nicht reicht, und das Freiheit an bereitgestellte Grundlagen koppelt, die es möglich machen, diese auch ausüben zu können, prägt den Diskurs jeder Gegenwartskrise.
Ob Covid, Klima oder Einkommensschere, allenthalben wird über „die Freiheit“ gestritten, für die bürgerliche, ebenso wie linke Akteure seit jeher meinen, ihre Fahne zu schwenken. Auch in den Debatten um den Rechtsruck der Gesellschaft und den weltweiten Vormarsch des Autoritarismus ist „Freiheit“ immer wieder der zentrale Begriff.
So liegt es nahe, dass das junge philo.live! Festival, das von seiner größeren Schwester phil.COLOGNE zusammen mit dem Philosophie Magazin organisiert wurde, die Freiheitskontroverse zum Metathema macht. Unter dem Motto „Was heißt hier Freiheit?“ diskutierten Soziologen, Philosophinnen und Historiker über Spannungsfelder und innere Widersprüche dieses schillernden Grundbegriffs der Philosophie. Etwa mit Blick auf die Klimakatastrophe, die weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen, oder die Debatte um die Freiheit des Meinens, von der einige glauben, sie sei in Gefahr, während andere erklären, sie entstehe erst jetzt, da auch marginalisierte Menschen mitreden können...