Der Tagesspiegel, 4.3.2015
Die portugiesische Finanzministerin schnurrt als Miezekatze auf dem Schoß des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Diese Karikatur in einer der großen Tageszeitungen Portugals brachte es für viele Leser auf den Punkt: Ihnen gelten die Deutschen als Verursacher und Nutznießer der europäischen Krise. Das Wuchern verschwörungstheoretischer Diskurse sehen die portugiesischen Kulturwissenschaftler Eduardo Camillo und Isabel Marcos als ein markantes Symptom der Krise. Die komplizierte Realität, die den Menschen vielfach zum Nachteil gereicht, heize die Produktion simplifizierender Geschichten an, die die Welt in Gut und Böse teilen. Vor allem die Finanzkrise sei erst einmal vollkommen gesichtslos, die abstrakte Macht werde deshalb mit einer Maske bekleidet, sagten die Forscher jetzt bei einer Tagung der Uni Potsdam über „Verschwörungstheorien in der aktuellen europäischen Krise“.
Besonders an der südlichen Peripherie des Kontinents haben Verschwörungstheorien derzeit Konjunktur. Hintergrund sei vor allem die prekäre sozioökonomische Lage in diesen Regionen, war man sich bei einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend einig. In dieser Situation sehnten sich die Menschen nach einfachen Erklärungen. Grundsätzlich gehen diese Narrative mit der Beschwörung alter oder neuer Feindbilder zusammen, die als Projektionsflächen kollektiver Angst funktionieren…