tip, 3.2.2015
Laura Tonke war gerade einmal 15, als sie für die Hauptrolle in Michael Kliers unerbittlichem Wendepanorama „Ostkreuz“ quasi vom Pausenhof weg gecastet wurde. Ihre Darstellung des DDR-Flüchtlingsmädchens Elfie, das anfängt, krumme Dinger zu drehen, um seiner mittellosen Mutter zu helfen, vermag noch immer zu begeistern.
Schauspielerin wollte die gebürtige Schönebergerin schon als Kleinkind werden. „Ich glaube, ich wollte immer berühmt werden. Dann habe ich aber gemerkt, dass mir das Spielen Spaß macht, die Atmosphäre und die Arbeit am Set. Da wurde das mit dem Berühmtsein plötzlich zweitrangig.“ Ihre Mutter habe damals einen Elan an ihr verspürt, eine Fokussierung, die – beobachtet man die wachen Augen der inzwischen 40-Jährigen – bis heute anhält und Laura Tonke den Ruf eintrug, eine der profiliertesten Arthouse-Darstellerinnen des Landes zu sein.
Nach „Ostkreuz“ klingelte im Hause Tonke häufig das Telefon. „Da rief dann Thomas Arslan an, der hat mit meinem Vater Fußball gespielt, und wollte wissen, ob ich nicht Lust auf einen Film hätte.“ Nach einem Auftritt in Arslans „Mach die Musik leiser“ folgten Tom Tykwers „Winterschläfer“, Dominik Grafs „Bittere Unschuld“ und Christopher Roths RAF-Film „Baader“, in dem sie neben Frank Giering als tyrannischem Terror-Paten eine eisenharte Gudrun Ensslin spielt.
Aktuell ist Tonke im neuen Film von Sonja Heiss – der 2007 mit ihrem ironisch-nachdenklichen Backpacker-Episoden-Film „Hotel Very Welcome“ ein präzises Generationenporträt gelang – als junge Mutter zu sehen, die urplötzlich von Angstanfällen geplagt wird und deren behaglicher Familienalltag wie ein Kartenhaus zusammenklappt.
„Hedi Schneider steckt fest“ wird im Forum der diesjährigen Berlinale gezeigt und führt die Verbindung von Drama und Komödie des ersten Filmes von Sonja Heiss fort. „Obwohl an der Oberfläche alles prima scheint, fällt Hedi Schneider in ein tiefes Loch“, sagt Laura Tonke, „sie muss einen Schlammtunnel durchqueren und hat keine Ahnung, wie sie da wieder hinauskommt oder wer sie auf der anderen Seite sein wird. Und ihr Partner hat auch etwas erlebt, aber etwas ganz anderes. Dann müssen sie sehen, was das gemacht hat mit ihnen und ob die Beziehung noch eine Chance hat.“ Obwohl oder gerade weil die Krisenthematik bei Sonja Heiss so leichtfüßig behandelt werde, gehe einem das Gezeigte nahe.
Beharrlich zeichnet die Kritik von Tonke das Bild der scheuen, sensiblen Autorenfilm-Actrice, doch wenn man ihr gegenübersitzt, hat man kaum das Gefühl, mit einer schüchternen Person zu sprechen. Und auch der Arthouse-Stempel stimmt nur teilweise, hat sie doch auch diverse „Tatorte“ und Vorabendfilme mit ihren Auftritten bereichert.
„Ich freue mich natürlich“, lacht Laura Tonke, „dass sich das Arthouse-Stereotyp beständig hält und vom ‚Bergdoktor‘ nicht beschädigt wird. Früher hatte ich einen starken Idealismus, einen unbedingten Fokus auf Autorenfilm. Wenn ein Projekt Qualität hatte, hab ich auch gerne mal umsonst gespielt. Bei weniger anspruchsvollen Sachen dachte ich dafür immer, ich verkauf mich gerade. Heute ist das völlig anders. Ich habe einen vierjährigen Sohn und bin einfach froh darüber, dass ich mit meinem Beruf Geld verdiene.“ Zudem tourt Tonke seit mittlerweile zehn Jahren mit dem Performance-Kollektiv Gob Squad durch die Lande, spielt in Musikvideos von Bosse oder Fettes Brot und hat gerade ein Buch mit eigenen Zeichnungen veröffentlicht. An Arbeit herrscht also kein Mangel.
Was sie gerne mal machen würde, sei ein Rachefilm, in dem richtig die Fetzen fliegen. Und wenn Laura Tonke dann mit dem Schwert austeilt wie Uma Thurman in „Kill Bill“, kommt wohl auch keiner mehr auf die Idee, sie als scheu oder gar schüchtern zu bezeichnen.