Der Tagesspiegel, 30.06.2022
Eine neue Ausstellung im DHM vermittelt die Geschichte der Staatsbürgerschaft. Diese führte immer schon Menschen zusammen - und trennte sie zugleich.
Ein uniformierter preußischer Soldat unter Kippa tragenden Familienmitgliedern – das in den frühen 1830er-Jahren entstandene Gemälde des deutsch-jüdischen Malers Moritz Daniel Oppenheim „Die Heimkehr des Freiwilligen aus den Befreiungskriegen zu den nach alter Sitte lebenden Seinen“ sollte die Vereinbarkeit von Patriotismus und jüdischer Tradition illustrieren. Tatsächlich erhofften sich nicht wenige männliche Juden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vom Dienst an der Waffe auch gesellschaftliche Teilhabe. Gesetze, die sie staatsbürgerlich gleichstellen sollten, wurden aber – etwa in Deutschland oder Frankreich – nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht. Bis der NS-Staat dann die Juden aus dem Volk und letztlich aus dem Menschsein herausdefinierte.
Oppenheims von Zuversicht gezeichnetes Gemälde ist nun gemeinsam mit zahlreichen anderen Exponaten in der Ausstellung „Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789“ zu sehen, die im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums am heutigen Freitag eröffnet. In einer verflechtungsgeschichtlichen Perspektive werden Entstehung und Genese des immer schon janusköpfigen Konzepts der Staatsbürgerschaft vermittelt. Denn diese sei ein Ein- und Ausschlussmechanismus, der mit dem Innen auch ein Außen definiere, sagt der die Schau kuratierende Historiker und Rechtswissenschaftler Dieter Gosewinkel im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Eine solche Ambivalenz prägt die Staatsbürgerschaft seit der Französischen Revolution“. Diese gebar den citoyen, den Staatsbürger, der trotz anders lautender Verheißungen lange bloß ein Bürger war und keine Bürgerin. Die Égalité blieb ein bloßes Ideal, staatsbürgerschaftlich diskriminiert wurden neben Juden auch lange Zeit Frauen. Aus den Sphären des politischen Lebens verbannt avancierten sie in Deutschland, Frankreich und Polen erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts zu rechtlich vollwertigen Staatsbürgerinnen. Auch in den französischen und deutschen Kolonien wurde eine strikte Trennung vollzogen – den europäischen Siedlern und Kolonisatoren standen die Entrechteten und Rassifizierten, „die Verdammten dieser Erde“ gegenüber. In eigenen, je sorgfältig gestalteten Räumen zeigt die Ausstellung die Kämpfe dieser Gruppen um gesellschaftliche Teilhabe und Anerkennung. Auch multiple Diskriminierungen werden implizit thematisiert...