Tagesspiegel, 12.12.2023
Ob man mit dem überfallenen Israel solidarisch sein soll oder nicht, ist unter autoritären Rechtspopulisten eine kontroverse Frage. Geert Wilders etwa, der mit seiner plumpen Hassrhetorik gegen Muslime gerade die niederländischen Parlamentswahlen gewann, meint schon lange ein Freund der Israelis zu sein. Zwar senden auch Teile der deutschen AfD und die französische Marine Le Pen „Liebesgrüße“ aus. Doch das Verhältnis der französischen und deutschen Rechten zum jüdischen Staat ist komplizierter.
„Wir stehen mehr denn je auf der Seite der israelischen Demokratie“, deklamierte die Gründerin des französischen Rassemblement National (RN) in Paris. Und AfD-Grande Alexander Gauland sagte nach dem Hamas-Pogrom im Bundestag, der Angriff habe nicht bloß Israel gegolten, er bedrohe den Westen, ja „unsere Art zu leben“. Das sind von französischen und deutschen Rechten keine selbstverständlichen Worte. Immerhin hat das Rassemblement eine dezidiert antisemitische Historie. Und weite Teile der AfD stehen durchaus in einer ideengeschichtlichen Verbindung zum Nationalsozialismus, dessen ideologisches Hauptanliegen die totale Vernichtung des Judentums war.
Blickt man genauer hin, werden denn auch Haarrisse sichtbar. Hans-Thomas Tillschneider etwa, stellvertretender AfD-Landes- und Fraktionschef in Sachsen-Anhalt unkte in einem Interview mit dem rechten Magazin „Freilich“, dass womöglich „die Amerikaner“ den Impuls für den Angriff gegeben haben könnten. Da diese als Parteigänger Israels gelten, kann man auf die Idee kommen, dass hier in verschwörungsideologischer Manier eine False-Flag-Operation insinuiert wird. Von der rechtsextremen Groupe Union Défense (GUD) – zumindest noch in der jüngeren Vergangenheit mit dem Rassemblement verbandelt – wird Israel auf der Webseite VoxNR als ein „Schurkensatt“ abqualifiziert, Frankreichs Nationalrevolutionäre stünden auf der Seite der Palästinenser.
Die wohlfeile Palästina-Solidarität hat mit dem Schicksal der Palästinenser nichts zu tun, diese werden bloß aus taktischen Gründen angeführt, um den exzessiven Judenhass moralisch zu bemänteln. Rechte Israel-Solidarität wiederum scheint eher wenig durch ermordete Juden motiviert; vielmehr wird sie mutmaßlich strategisch eingesetzt, um einen antimuslimischen Rassismus zu befeuern.
Dieser ist in den letzten Dekaden zum Hauptagitationsfeld national-radikaler Parteien und Akteure geworden. Dabei sollte man sich aber nicht täuschen. Dass die Rechte versucht, Juden gegen Muslime auszuspielen, heißt nicht, dass sie dem Judentum wohlgesinnt wäre. Denn dieses wird im alt- wie im neurechten Denken mit dem als dekadent und zersetzend gezeichneten Liberalismus assoziiert, den das völkische Milieu mehr hasst als alles andere.
Der Historiker Volker Weiß hat in seinem Standardwerk „Die Autoritäre Revolte“ minutiös nachgewiesen, dass neurechte Ideologieproduzenten von Alain de Benoist bis Karl-Heinz Weißmann, eben nicht „den Islam“ als Hauptfeind erachten, sondern den westlichen „Universalismus“. Dieser wird hier mindestens implizit als jüdische Machenschaft imaginiert, mit der die natürliche Identität des „Volkes“ dauerhaft zersetzt werden soll. Weiß zeigt, wie die namhaften Akteure der rechtsintellektuellen Szene, die das Weltbild auch von AfD-Größen geprägt haben, zur Feindbestimmung eine Unterscheidung ihres Hausgottes, des völkischen Rechtswissenschaftlers Carl Schmitt anführen. Dieser hatte zwischen „wirklichem“ (oder „konkretem“) und „absolutem“ Feind unterschieden. „Der Islam“ werde im neurechten Denken meist als konkreter Feind betrachtet, der sich widerrechtlich aus seinem Habitat entfernt habe und in den „Raum“ des deutschen (oder europäischen) Volkes vorgedrungen sei. Man meine, ihn auf dem eigenen Territorium bekämpfen zu müssen, er störe, weil er als „raumfremd“ gelte – seine Existenz aber werde nicht als grundsätzliches Problem betrachtet. Als „absoluter Feind“ hingegen würden die meist als jüdisch gelesenen Phänomene Amerikanismus, Liberalismus und Universalismus begriffen, erörtert Weiß. Diese seien dem rechten Weltbild zufolge viel schwerer zu bekämpfen als der Islam, weil sie die angestammte Identität gleichsam von innen heraus attackierten und mit Feminismus oder queerer Bewegung bereits starke Dekadenzphänomene produziert hätten.
Schon der Vater der neurechten Bewegung...