Der Tagesspiegel, 7.1.2020
Lang gezogene Satteldächer auf zwei mehrstöckigen gelb-roten Ziegelbauten, die durch einen Mitteltrakt verbunden sind: Das hufeisenförmige Ensemble, in dem die Islamische und die Katholische Theologie der Humboldt-Universität im Herbst ihren Studienbetrieb aufgenommen haben, strahlt durchaus etwas Sakrales aus.
Erbaut wurde das Haus indes im 19. Jahrhundert als Rechtsmedizin der Charité. Heute ist es ein lichter Studienort und Begegnungsraum für Muslime und Katholiken, die hier in direkter Nachbarschaft lehren, forschen und lernen. Man geht dieselben Wege, teilt sich Büro- und Seminarräume.
Das Rubrum „Theologie der Vielfalt“, mit dem die Programmatik einer innerislamischen Mehrstimmigkeit aus sunnitischen und schiitischen Perspektiven bezeichnet ist, prägt den Charakter des muslimisch-christlichen Doppelinstituts insgesamt. Dies zeigt sich unter anderem an den Schwerpunktthemen zweier Wissenschaftlerinnen, Almila Akca, Leiterin einer Forschungsgruppe zur „Islamischen Theologie im Kontext von Wissenschaft und Gesellschaft“, und Teresa Schweighofer, Professorin für Praktische Theologie am Katholischen Institut.
Akca forscht zu muslimischer Alltagspraxis in der Bundesrepublik, die zwar in Verbindung mit den schriftlichen Zeugnissen islamischer Überlieferung steht, jedoch oft auch darüber hinausgeht. So entwickeln Menschen ihre religiöse Identität eben nicht nur durch das Lesen und Nachbeten theologischer Literatur, sondern ganz alltäglich, aus ihren gesellschaftlichen Bezügen und ihrer jeweiligen Lebenswelt heraus...