Die taz, 6.11.2019
Vor dreißig Jahren leiteten der Fall des Eisernen Vorhangs und ein Troubadour in glühlampenbestickter Lederjacke das vorläufige Ende der Geschichte ein. David Hasselhoff schwebte über der durchbrochenen Berliner Mauer und kündete den geplagten DDR-Bürgern von einer leuchtenden Ära der Freiheit.
Bald darauf riefen Teile der Politikwissenschaft das liberale Ordnungsmodell zum ewigen Gewinner der konkurrierenden Großsysteme aus. In vulgärhegelinanischem Freudentaumel erklärten Francis Fukuyama und andere die weltpolitischen Widersprüche für aufgehoben – der geschichtsdialektische Marathon hatte sein großes Ziel erreicht, der Weltgeist war nach Hause gekommen, durfte seine wundgelaufenen Füße auf dem Sofatisch platzieren.
In der Folge verlor das Politische selbst nach und nach an Relevanz. Alles stand im Zeichen des großen Konsums. Und breiter als jemals zuvor schmutzte eine eifrige Kulturindustrie die ehedem chronisch rebellische Jugend mit Mist wie Baywatch und den Backstreet Boys zu.
Die 90er sind längst vorüber und der Topos vom Ende der Geschichte wurde historisch hinweggefegt. Wir sehen ja, dass es überall brennt, wissen, dass die Brände von selbst nicht erlöschen; dass Milliarden von Menschen in strukturell erzeugtem Elend vegetieren; dass die Demokratie in einer grundstürzenden Krise steckt; dass Autoritarismus und rechte Bewegungen weltweit auf dem Vormarsch sind; dass wir im digitalen Überwachungskapitalismus mehr denn je zum Anhängsel der Maschine verkommen; dass schließlich die planetare Hardware dabei ist, ein für alle Mal durchzubrennen...