tip, 31.10.2018
Thomas ist, das sieht man gleich, kein Mann der großen Worte. In seinem Blick aber tun sich ganze Welten auf. Als der israelische Geschäftsmann Oren auf seiner monatlichen Stippvisite in Berlin Thomas’ kleines Café besucht, ahnt man schon, dass beide mehr als die Liebe zur Schwarzwälder Kirschtorte verbindet. Der scheue deutsche Kuchenbäcker beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Jerusalemer Familienvater; einmal im Monat sind sie zusammen, wenn dieser geschäftlich nach Deutschland kommt.
Nach Orens plötzlichem Tod ist Thomas am Boden zerstört. Ohne zu wissen warum, reist er nach Jerusalem und schleicht sich in die zurückgelassene Welt seines ehemaligen Liebhabers ein. Er stalkt die verwitwete Anat und beginnt in ihrem koscheren Café als Aushilfe zu jobben. Anat hat keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hat. Die Israelin und der Deutsche sind in Trauer vereint und verlieben sich im Schatten des Verstorbenen.
„The Cakemaker“, das Spielfilmdebüt des zwischen Jerusalem, Berlin und der Uckermark pendelnden Regisseurs Ofir Raul Grazier, ist – als israelischer Beitrag für die Oscars – ein bis in die Details hinein stimmig inszeniertes Drama um Liebe und Begehren jenseits sexueller, religiöser und kultureller Kategorien.
Die Darstellung der Ménage à trois mit einem Geist in der Mitte zeichnet sich durch kluge und präzise Beobachtungen komplexer menschlicher Beziehungen aus. Die Kamera bleibt meistens nah an den Gesichtern der Akteure und an den zubereiteten Kuchenkreationen. Tim Kalkhof als Thomas und Sarah Adler als Anat sind im wortkargen Zusammenspiel großartig. Bei der sanften Dekonstruktion mehrerer vermeintlicher Gegensätze – Homo-Hetero, Deutsch-Israelisch, Religiös-Säkular – verzichtet der Film auf Kitsch und Klischees und erzeugt mit leisen Tönen einen intensiven Sog.